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Autor: Dina Roos

Was ist Neuroplastizität? Und was hat das mit Logopädie zu tun? 

Immer wieder kommt in Zusammenhang mit Logopädie der Begriff Neuroplastizität auf. Aber was ist eigentlich Neuroplastizität?

Neuroplastizität beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, ich im Lauf des Lebens auf Veränderungen und neue Erfahrungen einzustellen. Unser Gehirn kann neu lernen. Das heißt, unser Gehirn baut bis ins hohe Alter Nervengewebe neu auf. Abhängig von dem, was wir tun und denken, wird Nervengewebe neu vernetzt.

Als ich vor mehr als 25 Jahren zur Logopädin ausgebildet wurde, haben wir noch ‚gelernt‘: Unser Gehirn wird bis zum rosigen Alter von ca. 25 immer schlauer, und dann geht es bergab. Heute wissen wir: Zum Glück stimmt das nicht. Wir haben auch ‚gelernt‘: Funktionen, die nicht innerhalb weniger Monate zurückgewonnen wurden, bleiben verloren. Zum Glück ist auch das falsch.

Ich habe (nach dem Alter von 25 Jahren) gelernt und immer wieder mit meinen Patientinnen und Patienten erlebt, dass das Gehirn zu Faszinierendem in der Lage ist – wenn wir es entsprechend stimulieren.

Welche Konsequenz hat das für Sie?

Wenn Sie mit uns arbeiten, dann ist unser Ziel nicht nur, mehr Muskelfasern aufzubauen. Wir arbeiten hin auf eine verbesserte Neuroplastizität. 

=> Funktionen, die früher von Hirnarealen gesteuert wurden, die heute nicht mehr oder nur noch reduziert arbeiten, können von anderen Hirnarealen übernommen werden (z.B. nach Schlaganfall, Hirnblutungen oder Hirntumor). 

=> Hirnareale, die aufgrund geringerer Verwendung weniger aktive Nervenzellen aufweisen, können reaktiviert werden (z.B. haben MRT-Aufnahmen bei Menschen mit Parkinson gezeigt, dass Hirnareale, die für automatisiertes Sprechen verantwortlich sind, nach LSVT LOUD® wieder aktiver arbeiten).

=> ein atypisches Schluckmuster, das zu kieferorthopädischen Problemen führen kann oder eine falsche Verwendung der Stimmmuskulatur, die zu Heiserkeit führen kann, sind Beispiele für ein falsch ‚erlerntes‘ Verhalten. Aber erlerntes Verhalten kann umgelernt werden.

=> Nervengewebe, das beschädigt wurde (z.B. durch Tumoroperationen oder Unfälle) ist wieder zusammengewachsen. Entsprechend haben sich z.B. Schluckstörungen, Sprachstörungen und Gesichtslähmungen verbessert.

Wie beeinflussen Sie mit therapeutischer Hilfe Ihre Neuroplastizität?

Was Sie dafür brauchen, ist intensives Training. Intensiv heißt in vielen Fällen Training mit vielen Wiederholungen und hoher Anstrengung. (Bitte klären Sie jedoch mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt oder mit Ihrer Therapeutin / Ihrem Therapeuten, ob bei Ihrer Diagnose anstrengendes Training sinnvoll ist. Es gibt wenige Ausnahmen.)

Wenn Sie sich fragen, warum Sie zusätzlich zur eigentlichen logopädischen Behandlung auch noch zu Hause trainieren sollen, dann finden Sie die Antwort genau hier.

Für eine bessere Neuroplastizität brauchen Sie viele Wiederholungen. Trainieren Sie nicht nur so lange, bis Sie es auf Aufforderung richtig machen können. Unser gemeinsames Ziel ist, dass Sie so lange trainieren, bis Sie es nicht mehr falsch machen können.

Die Prinzipien der Neuroplastizität sind übertragbar auf nahezu alles, was wir in unserem Leben tun. Es ist nicht nur das Gehirn, das unsere ausführenden Muskeln und Gedanken steuert. Ganz genauso beeinflusst das, was wir tun und denken auch die Plastizität unseres Gehirns.

Wenn Sie also die Übungen, die wir Ihnen als häusliches Training aufgeben, regelmäßig durchführen, beeinflussen Sie Ihre Neuroplastizität und damit die Fähigkeit Ihres Gehirns, Funktionen wieder gesünder zu steuern.

Hausbesuche in der Logopädie gehören zu unserem Leistungsspektrum

Oft bekommen wir Anfragen, ob wir auch Hausbesuche in der Logopädie anbieten. Ja, das tun wir. Wenn dies erforderlich ist, können Sie Ihre logopädische Therapie in Ihrem Zuhause erhalten.

Nach Schicksalsschlägen wie z.B. Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma oder Krebserkrankungen in der Mundhöhle oder im Rachen müssen sich unsere Patienten und Patientinnen den Weg zurück zu einer besseren Lebensqualität wieder hart erkämpfen. Oft sind die Menschen, mit denen wir in unserer Praxis arbeiten, aufgrund ihrer Erkrankung zusätzlich in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt.

Für viele Menschen ist bereits der Weg in die logopädische Praxis eine große Herausforderung. Und wenn man bereits von der Anfahrt zur Praxis erschöpft ist, dann profitiert man möglicherweise auch von der Behandlung selbst weniger.

Aber nicht nur aufgrund körperlicher Bewegungseinschränkungen kann der Weg zur Praxis ein Problem sein. Menschen mit schweren Schluckstörungen sind nicht selten auf Ernährung über Magensonde angewiesen. Eine komplette ‚Mahlzeit‘ über Magensonde nimmt man nicht mal eben in ein paar Minuten zu sich. Dies erfordert sehr viel Zeit. Und so kann die Dauer der Anfahrt zur Praxis und wieder nach Hause ein zusätzlicher Stressfaktor sein kann.

Um Ihnen die bestmögliche Versorgung zu ermöglichen, bieten wir Ihnen bei Bedarf auch Hausbesuche an. Logopädische Therapie als Hausbesuch kann Ihre Lebensqualität erheblich verbessern, weil Sie den Stress und die Belastungen reduzieren können, die mit dem Transport in die Praxis verbunden sind.

Im Hausbesuch können wir Ihnen alle logopädischen Leistungen bieten, die Sie auch in der Praxis bekommen.

Wenn Ihr Arzt / Ihre Ärztin Ihnen auf dem Rezept für Logopädie einen Hausbesuch verordnet, wird dies von Ihrer Krankenversicherung übernommen.

Selbstverständlich kann ein Hausbesuch aber nur dann verordnet werden, wenn dies medizinisch begründbar ist.

Wenn Sie oder eine Bezugsperson Schwierigkeiten mit der Sprache, der Stimme, der Sprech- oder Schluckfunktion haben aber der Weg in die Praxis eine zu große Hürde darstellt, sprechen Sie uns gerne an. 

Therapie von Schluckstörungen als Videotherapie?

Ist die Therapie von Dysphagien / Schluckstörungen über Videotherapie möglich? 

Ganz klar: Ja! … mit Einschränkungen … 

Das war das Thema, in dem ich den deutschen Bundesverband für Logopädie in den Vertragsverhandlungen zur Videotherapie / TML (Telemedizinische Leistung) unterstützen durfte.

Vielfach wird die Therapie von Schluckstörungen (Dysphagien) noch assoziiert mit direkten Schluckversuchen. Aber Dysphagietherapie ist so viel mehr als Götterspeise-Schlucken.

Einen sehr großen Teil qualitativ hochwertiger Dysphagietherapie bezeichne ich als „Mukibude für die Schluckmuskulatur“. Das müssen Sie sich vorstellen wie Krafttraining und Beweglichkeitstraining für die Zunge über Zungenbewegungen oder für die Rachen- und Kehlkopfmuskulatur über Stimm- und Artikulationstraining. Und das funktioniert auch über Videotherapie ganz hervorragend. 

Es ist eine Freude, dabei zusehen zu können, wie sich z.B. die Kehlkopfbewegung beim Schlucken verbessert, wenn man entsprechende Stimmübungen durchführt … oder wie sich die Auslösung von spontanen Schluckreaktionen beim Speichelschlucken verbessert, wenn man Übungen für besseren Unterdruck in der Mundhöhle durchführt.

Natürlich machen wir auch direkte Schluckversuche. Diese machen meines Erachtens aber nur dann Sinn, wenn wir sie für diagnostische Zwecke brauchen oder Schlucktechniken trainieren. Von solchen Therapieinhalten rate ich in der Videotherapie dringendst ab. 

Mein Fazit nach sehr vielen Dysphagiebehandlungen über Videotherapie: 

  • direkte Schluckversuche – nein
  • „Mukibude“ für die Schluckmuskulatur – definitiv ja!

Und es ist mir eine Freude, wenn ich heute in unseren Verträgen lese, dass wir genau das bekommen haben.

Wichtig für eine Dysphagietherapie als Telemedizinische Leistung ist allerdings folgende Grundvoraussetzung: 

Eine Telemedizinische Leistung kommt nur für Patienten in Frage, die aktiv Übungen durchführen können. Patient*Innen, die so schwer betroffen sind, dass sie vorrangig passiv stimuliert werden können, sollten keine Videotherapie sondern eine Präsenzbehandlung bekommen.

Kieferorthopädie und Schluckstörung?

Regelmäßig erreichen mich Anrufe besorgter Eltern, weil die Kieferorthopädin / der Kieferorthopäde ihnen erklärt hat, ihr Kind habe eine Schluckstörung.

Das Wichtigste zuerst: Was das Internet Ihnen ausspuckt, wenn Sie nach ‚Schluckstörung‘ suchen, mit aller Wahrscheinlichkeit ist nicht das, was Ihr Kind hat.

Wenn Sie im Internet den Suchbegriff ‚Schluckstörung‘ eingeben, dann bekommen Sie schnell Informationen zur sogenannten ‚Dysphagie‘. Die Gefahren, die mit solch einer neurologisch oder onkologisch bedingten Schluckstörung einher gehen, bestehen bei Ihrem Kind nicht. 

Ihr Kind hat nichts Bedrohliches, sondern etwas, was nervt, weil man etwas Zeit und Energie investieren muss, wenn man es korrigieren möchte. Und eine solche ‚Schluckstörung‘ zu korrigieren, macht durchaus Sinn, weil Ihr Kind dann im Erwachsenenalter Geld spart und ein geringeres Risiko hat, irgendwann Kiefergelenksprobleme oder wieder eine Zahnfehlstellung zu bekommen.

Zahnfehlstellungen, Kieferfehlstellungen und / oder Gebissanomalien, wie sie in der Kieferorthopädie behandelt werden, können mit dadurch verursacht worden sein, dass die Zunge beim Schlucken an die falsche Stelle drückt. Unsere Zunge hat eine erstaunliche Kraft. So passiert es, dass die Zunge den Kiefer und die Zahnstellung formt – und manchmal eben in eine falsche Position schiebt.

Wenn dies eine Ursache für die Zahnfehlstellung Ihres Kindes ist, dann sagt Ihnen die Kieferorthopädin, Ihr Kind schluckt falsch.

Diese Art der Schluckstörung bezeichnen wir auch als atypisches Schluckmuster.

Wie kann es zu solch einer Zungenfehlfunktion kommen? 

Ganz einfach zu erklären: Wenn Ihr Kind gerne am Daumen gelutscht hat, den Schnuller geliebt hat und lange nicht hergeben wollte oder einfach oft Erkältungen hatte und durch den Mund geatmet hat, dann hat das eine Auswirkung auf die Position und Spannung der beteiligten Muskelgruppen. So lernt das Gehirn, eine falsche Muskelfunktion der Zunge und der Lippen als normal abzuspeichern. Und schon wird ein Verhaltensmuster gelernt, das für eine gesunde Zahnstellung nicht förderlich ist.

Wie kann das therapiert werden?

Die Behandlung besteht grob aus 2-3 Bereichen

  1. Muskeltraining, damit die Muskulatur mit gesunder Kraft und Beweglichkeit arbeiten kann
  2. Verhaltenstraining – wir müssen ein gesünderes Schluckmuster lernen und dann so oft wiederholen, dass das Gehirn es als das neue ‚Normal‘ abspeichert.
  3. Wenn zusätzlich zur Muskelkraft und -Beweglichkeit auch eine Wahrnehmungsstörung in der Mundhöhle besteht, dann trainieren wir mit Ihrem Kind auch, den Mund besser zu spüren.

Wie lange dauert so eine Behandlung?

Das hängt vor allen Dingen davon ab, wie viel Ihr Kind (d.h. Sie mit Ihrem Kind) zu Hause trainiert. Wenn ein Bewegungsmuster umtrainiert werden soll, dann reicht 1x/Woche Logopädie nicht aus. Aber wenn Sie einen Weg finden, die Zungen- und Lippenübungen, die wir Ihnen zeigen, so viel wie möglich in den Alltag integrieren, dann können Sie das mit einem 10er-Rezept gut schaffen. Bei stärkeren Fehlstellungen brauchen wir auch mal 20 Stunden. Das ist aber eher selten.

Konnte ich Sie ein bisschen beruhigen? Ich hätte sonst noch einen:

Ich selbst hatte als Kind ein atypisches Schluckmuster. So habe ich den Beruf der Logopädin kennen gelernt. Sie sehen also, das fehlerhafte Schluckmuster, von dem Ihre Kieferorthopädin gesprochen hat, ist keinerlei Grund zur Sorge. Man kann nach erfolgreicher Korrektur sogar selbst Logopädin werden.

Therapie von Gesichtslähmungen über Videotherapie

Kann man eine Gesichtslähmung / Fazialisparese über Videotherapie behandeln? Bei uns ja.

Im März 2020 war ich (nur kurz) verzweifelt. Ich hatte unter anderem eine Patientin mit einer schweren Gesichtslähmung, die ich bis März 2020 nach dem Programm von Castillo Morales behandelte. Sie hat gute Erfolge gezeigt.

Aber nach Bestrahlung, Chemo und zusätzlich noch anderen Diagnosen, die ein großes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 bedeuten, hatte sowohl die Patientin als auch ich einfach Angst, sie ohne Maske zu behandeln. Und um die Muskulatur des Fazialismundastes behandeln zu können, muss ich die Muskulatur nunmal anfassen!

Wir haben auf Videobehandlung umgestellt. Besser als gar nichts, dachten wir.

Der Verlauf war faszinierend. Nun habe nicht mehr ich die Stimulation der Mimischen Muskulatur durchgeführt. Jetzt hat die Patientin selbst Hand angelegt. Ihre Stimulation war z.T. deutlich kraftvoller, als ich dies bei ihr durchgeführt hätte (und verstehen Sie mich nicht falsch. Nach Behandlungen bei mir wurde bereits gesagt: „Mir ist ein Bulldozer durchs Gesicht gefahren“). Neben der nun noch stärkeren Stimulation hat die Patientin unter meiner Anleitung gelernt, auch außerhalb der Behandlungen ihr zusätzliches Training wesentlich präziser durchzuführen.

Als Fazit heute darf ich Ärztinnen und Ärzte zitieren, die die Patientin immer wieder für Kontrolluntersuchungen sehen: „Frau XY, Ihr mimischer Ausdruck ist unglaublich gut geworden! Solche Verbesserungen sehen wir sonst nach solchen Eingriffen nicht.“

Das intensivere und noch präzisere Training mit maximalen Wiederholungen hat Verbesserungen bewirkt, die ich in dieser Form auch noch nicht gesehen hatte. Mein Vorgehen in der Behandlung von Fazialisparesen ist heute stark beeinflusst von diesen Erfahrungen. Und ich kann nur sagen: Telemedizinische Leistung – also Videotherapie – bei Fazialisparesen ist kein Plan B, sondern mindestens geleichermaßen effektiv.

Logopädie als Videotherapie

2019 hätte kaum jemand vermutet, dass logopädische Behandlung über Videotherapie im Jahr 2022 als reguläres Therapieangebot sogar im Gesetzestext festgeschrieben ist und von den Krankenversicherungen erstattet wird.

Aber so ist es. Mit den Erfahrungen, die wir in den vielen Monaten der Corona-Pandemie sammeln mussten … in dem Fall: durften, haben wir es geschafft, gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband Verträge zu formulieren, die Ihnen als Patient / Patientin die Möglichkeit geben, Ihre Logopädische Therapie auf Wunsch auch als sogenannte TML (Telemedizinische Leistung) in Anspruch zu nehmen. 

Eine Videobehandlung in der Logopädie war eine effektive Möglichkeit, Patient*Innen auch während der Pandemie ohne Maske zu behandeln. Heute ist diese Möglichkeit auch in anderen Situationen beliebt, in denen eine persönliche Sitzung nicht möglich oder mit Stress verbunden ist (Erkältung / kurzfristig keine Kinderbetreuung / besser mit beruflichem Alltag zu vereinbaren / Bein gebrochen… )

Meine Erfahrung ist die, dass durch die Nutzung von Technologie logopädische Behandlungen seltener ausfallen mussten. Gerade kürzlich war aufgrund eines Streiks im öffentlichen Nah- und Fernverkehr München quasi lahmgelegt. Früher hätte das für Patient*innen Therapieausfälle bedeutet (und für mich als Selbständige einen saftigen Verdienstausfall). Heute haben fast alle spontan auf Telemedizinische Leistung (TML) umgestellt, und die Behandlungen konnten ohne Zeiteinbußen und ohne Qualitätsverlust stattfinden.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen bei der Videobehandlung in der Logopädie. Die größte Herausforderung ist meiner Erfahrung nach die Internetqualität in unserem Land. Aber die Qualität von Programmen und Internetqualität hat sich in den letzten Monaten bereits gut gebessert, sodass ich optimistisch in die Zukunft blicke.

Oft wird die Frage gestellt, ob beispielsweise die Untersuchung muskulärer Strukturen im Mund-/Halsbereich über TML überhaupt möglich sei? Ich habe seit Beginn der Corona-Pandemie gut 3000 Behandlungen über Videotherapie durchgeführt. Ich kann diese Frage ganz klar beantworten mit JA. Wenn die Beleuchtung und die Bildqualität so umgesetzt werden, wie wir das laut Verträgen ohnehin umsetzen müssen, dann ist eine kompetente Beurteilung gar kein Problem.

Und sollten doch Fragen offenbleiben, dann führen wir eben zwischendurch eine Behandlung in der Praxis oder im Hausbesuch durch – denn eine der Bedingungen für Videobehandlung ist: die Therapie muss bei Bedarf immer auch in Präsenz durchgeführt werden können.

Über welchen Anbieter darf eine Telemedizinische Leistung angeboten werden?

Wir haben hier klare Vorgaben, an die wir uns halten müssen. Das Programm, mit dem wir arbeiten, muss für Telemedizinische Leistungen zertifiziert sein. In meiner Praxis arbeiten wir mit Sprechstunde.online

LSVT BIG(R) – Behandlung von Bewegungsstörungen bei Parkinson

Nachdem die LSVT LOUD®-Methode sich bei Menschen mit Parkinson als ausgesprochen wirksam erwiesen hat, um Stimm- / Sprech- und auch Schluckstörungen zu behandeln, wurden die Prinzipien der Behandlung übertragen auf die Behandlung der Bewegungsamplitude. Menschen mit Parkinson entwickeln kleinere und langsamere Bewegungen. Hier setzt das Behandlungskonzept an.

Das entsprechende Therapiekonzept heißt LSVT BIG®. Die Methode ist zur Behandlung von Bewegungsstörungen bei Parkinson nachgewiesenermaßen effizient. 

Die Methode heißt LSVT BIG®, weil das Training einer gesamtkörperlich größeren Bewegungsamplitude ein maßgeblicher Bestandteil der Behandlung ist. Das Ziel ist eine gesunde Bewegungsamplitude im Alltag. Aufgrund der Parkinsonerkrankung haben Patienten das Gefühl, diese Bewegungen seien viel zu groß. Das Ziel ist nicht, dass Sie tatsächlich viel zu große Bewegungen machen. Aber es wird sich für Sie unnatürlich groß anfühlen.

Patienten, die das komplette Behandlungsprogramm durchgeführt haben, zeigen im Anschluss eine nachweislich gesündere Schrittlänge, verbesserte Geschwindigkeit und gesündere Extremitäten- und Körperbewegungen. Auch Rumpfbewegungen verbessern sich nachweislich. Dies hat Auswirkungen auf ein sichereres Gleichgewicht.

  • LSVT BIG® wird von Ergotherapeuten und Physiotherapeuten mit entsprechender Zusatzausbildung angeboten.
  • LSVT BIG® wird durchgeführt nach einem intensiven und fest vorgegebenen Zeitplan. Dieser umfasst:
    16 Einzelbehandlungen à 60 Minuten an 4 aufeinanderfolgenden Tagen für einen Zeitraum von 4 Wochen. 
  • Zusätzlich muss der Patient ein intensives Hausaufgabenprogramm durchführen.
  • Ein essentieller Bestandteil ist die fortlaufende Arbeit an der Eigenwahrnehmung in Kombination mit individuell für die Patienten entwickelten Übungsinhalten, die genau abgestimmt sind auf die Bedürfnisse der Patienten in ihrem jeweiligen Alltag. 

Das Konzept wurde so entwickelt, dass die für die Parkinsonerkrankung typischen Bewegungsstörungen gezielt angegangen werden. Die Behandlung ist sowohl intensiv als auch komplex, mit vielen Wiederholungen. Das Ziel ist, dass Sie ihre verbesserte Bewegungsfähigkeit im täglichen Leben auch wirklich anwenden lernen.

Wichtig für Sie als Patient: Es gibt kein ‚In Anlehnung an LSVT®‘. Diese Methode ist ein fest vorgeschriebenes Behandlungskonzept, das inclusive der individuell auf Patienten abgestimmten Inhalte nach einem fest vorgegebenen Programm durchgeführt werden muss. Nur dann ist die Behandlung langfristig wirksam und der Erfolg über Monate bis Jahre anhaltend. Das wurde in vielen Untersuchungen bestätigt. Weniger ist mehr gilt hier leider nicht.

Vergleichen Sie die Behandlung mit einem Antibiotikum: Wenn wir wollen, dass es wirkt, müssen wir alle Tabletten im korrekten Abstand einnehmen. 

Wenn Sie wollen, dass LSVT® den Erfolg bringt, der der Methode nachgesagt wird, dann müssen folgende Faktoren erfüllt sein:

  • Programm: Basisübungen / individuelle Übungen / Gehtraining / Übertragungsaufgaben / Hausaufgaben – Wenn das Programm in Dauer oder Reihenfolge geändert wird, ist es nicht mehr LSVT®
  • Therapiedauer: 60 Minuten
  • Therapiefrequenz: 4x/Woche an 4 aufeinanderfolgenden Tagen
  • Hausaufgaben: An Therapietagen 1x, an therapiefreien Tagen 2x/Tag
  • Individuelles Training: Die Behandlung muss Übungen beinhalten, die ganz gezielt auf Problemstellungen in Ihrem Alltag abgestimmt sind.
  • 2. Hälfte der Behandlung: 20-25 Minuten Gehtraining mit einer Schrittgröße, die sich für Sie zu groß anfühlt. Ja, 20-25min sind eine lange Zeit. Aber wenn Sie wollen, dass Ihr Gehirn die gesündere Schrittlänge als gelernt abspeichert, ist dieses intensive Training dringend notwendig.

Kann man einer Schluckstörung bei Parkinson vorbeugen?

Aus meiner Sicht: JA!

Meine Antwort basiert auf meinen Beobachtungen. Ich muss für die Erläuterung meiner Antwort etwas ausholen und stelle zwei Gegenfragen:

  1. Worin sind denn meiner Beobachtung nach Schluckstörungen bei Parkinson mitbegründet?
  2. Gibt es Zusammenhänge zwischen der Stimm-/Sprechmuskulatur und der Schluckmuskulatur?


Zuerst zu Frage 2: Gibt es Zusammenhänge zwischen der Stimm-/Sprechmuskulatur und der Schluckmuskulatur?

Sehen wir uns zwei Strukturen/Funktionen an:

a. Stimmbandfunktion
b. Kehlkopfbewegung

zu a. Stimmbandfunktion:

Lage der Stimmbänder
Die Stimmbänder liegen im Kehlkopf. Der Kehlkopf ist der Eingang zur Luftröhre.

Funktion

  • Stimmproduktion: Die Stimmbänder legen sich für die Stimmproduktion aneinander.
  • Hustenfunktion: Die Stimmbänder legen sich zum Husten fest aneinander, es wird Druck aufgebaut und es kann gehustet werden.
  • Schluckfunktion: Beim Schlucken legen sich die Stimmbänder fest aneinander und verschließen so den Eingang zur Luftröhre, damit keine zu schluckende Konsistenz in die Luftröhre abrutscht.

Fazit:
Bei guter, kräftiger Stimmverwendung wird ständig die Muskulatur trainiert, die wir auch zum Husten brauchen, und die beim Schlucken den Luftröhreneingang verschließt.

zu b. Kehlkopfbewegung:

Kehlkopfbewegung beim Schlucken
Beobachten Sie einmal, wie Menschen schlucken. Bei Männern kann man das meist besser beobachten. Beim Schlucken bewegt sich unser Kehlkopf (umgangssprachlich bekannt als Adamsapfel) nach oben und vorne. Diese Bewegung unterstützt, dass

a) der Eingang zur Speisröhre aufgezogen wird
b) der Kehldeckel abgesenkt wird, der beim Schlucken den Kehlkopfeingang und folglich den Eingang der Luftröhre verschließt.

Fazit:
Bei guter Kehlkopfbewegung landet alles, was wir schlucken dort, wo es hin gehört: in der Speiseröhre. Wir verschlucken uns NICHT. (Verschlucken: Etwas gelangt doch in den Eingang der Luftröhre und wir husten)

Kehlkopfbewegung beim Sprechen
Fühlen Sie doch einmal an Ihren Kehlkopf (Adamsapfel), wohin der sich bewegt, wenn Sie ganz tiefe und ganz hohe Töne sagen? Er bewegt sich hoch und runter, richtig?

Fazit:
Bei guter Sprechmelodie wird unser Kehlkopf kontinuierlich hoch und runter bewegt – wir trainieren also auch die Muskulatur, die den Kehlkopf beim Schlucken nach oben bewegt.

Zu Frage 1: Worin sind denn Schluckstörungen bei Parkinson begründet?

  • Wir wissen, dass Patienten mit Parkinson immer leiser, kraftloser und monotoner sprechen.
  • Was passiert denn, wenn ich monoton spreche? Ich verwende die Muskulatur weniger, die den Kehlkopf anhebt.
  • Was passiert, wenn ich leiser spreche? Ich verwende die Muskulatur weniger, die die Stimmbänder aneinander legt.
  • Und was passiert mit Muskulatur, die ich weniger oder kraftloser verwende? Sie büßt an Funktionalität ein.

Ergebnis: Schluckstörung
Schwächerer Stimmbandschluss – schwächere Kehlkopfbewegung – geringerer Verschluss der Luftröhre beim Schlucken – schwächere Hustenfunktion – schwächere Öffnung der Speiseröhre

Zurück zur ursprünglichen Frage: „Kann man einer Schluckstörung bei Parkinson vorbeugen?“

Meiner Erfahrung nach: JA!

Wie erkläre ich dies aus therapeutischer Sicht?

Was passiert mit Muskulatur, die ich verwende? – Sie baut Muskelmasse auf! Sie verbessert sich in ihrer Funktion!
Was passiert also mit der Schluckmuskulatur, wenn wir kraftvoller und mit verbesserter Sprechmelodie sprechen? Die Kehlkopfhebung und der Stimmbandschluss werden fortlaufend trainiert.

Funktioniert das auch bei einer fortschreitenden Erkrankung wie Parkinson?
Diese Antwort basiert auf meiner Erfahrung (ich arbeite seit über 15 Jahren mit neurologischen Patienten und seit fast 10 Jahren sehr intensiv mit Parkinsonpatienten):

Viele Patienten, die zu Therapiebeginn über Schluckbeschwerden geklagt haben, haben sich unter der Behandlung mit dem LSVT LOUD®-Konzept deutlich verbessert. Meist berichten Patienten bereits in der zweiten Behandlungswoche, dass sie sich deutlich weniger verschlucken.

Die Patienten lernen im Rahmen dieser Behandlung, alles im Alltag lauter und kraftvoller zu sagen. Und so wird mit jedem Wort, das die Patienten sprechen, auch die Schluckmuskulatur trainiert. Ich kann also durchaus sagen, dass ich diese Behandlung als Vorbeugung von Schluckstörungen betrachte.

Für mehr Informationen verweise ich auf folgende Website: www.lsvtglobal.com

Schluckstörungen bei der Parkinson-Krankheit

Beobachtung / Patientenberichte:

  • Oft klagen Parkinsonpatienten bei mir darüber, dass sie sich bei bestimmten Lebensmitteln häufiger verschlucken (z.B. roher Apfel, Orange, Müsli, Salat mit Essig-Öl-Dressing…)
  • Häufig wird mir von Patienten auch berichtet, dass sie beim Sprechen häufiger ganz unerwartet husten müssen.
  • Wieder andere Patienten klagen gar nicht über Husten oder Verschlucken, aber sie zeigen Ansammlungen von Speichel in den Mundwinkeln.
  • Wieder andere Patienten berichten, dass sie beim Schlucken überhaupt keine Probleme haben und werden dann von der Ehefrau / vom Ehemann korrigiert: „Doch, beim Essen / Trinken hustest du schon mehr als früher…“

All dies ist liegt aus meiner Sicht begründet in einer beginnenden Schluckstörung.

 



Erklärung

Beim Kauen eines Apfels oder einer Orange entweicht Saft. Während das Fruchtfleisch noch gekaut wird, muss dieser Saft in der Mundhöhle kontrolliert werden. Dieser Saft kann bereits vorzeitig in den Rachen entweichen (Leaking).
Ebenso müssen beim Essen von Müsli feste Bestandteile noch gekaut werden, während die Milch bereits nach hinten entweichen kann (Leaking).
Bei Salat verhält es sich genauso. Salatsoße kann bereits in den Rachen entweichen, während die Salatblätter noch nicht ausreichend gekaut sind.

Die drei vorrangigen Ursachen hierfür liegen meiner Erfahrung nach hierin begründet:

  1. Aufgrund einer reduzierten intraoralen Sensibilität (Gefühlswahrnehmung im Mund) wird erst zu spät wahrgenommen, dass etwas nach hinten über den Zungengrund entweicht.
  2. Der hintere Teil der Zunge hat u.A. die Aufgabe, während des Kauens zusammen mit dem weichen Gaumen die Mundhöhle zum Rachen hin zu verschließen. Wenn diese Muskulatur zu langsam oder zu schwach arbeitet (beides bekannte Merkmale bei Parkinson – Rigor / Hypokinese), wird die Mundhöhle nicht ausreichend verschlossen und es kann frühzeitig etwas in den Rachen rutschen (Leaking).
  3. Die Schluckreaktion (veraltet: Schluckreflex) wird zu spät ausgelöst.

Produzieren Patienten mit Parkinson mehr Speichel?

Oft klagen Patienten mit Parkinson bei mir, sie hätten viel mehr Speichel als früher – der Fachausdruck ist Hypersalivation. Ich stimme hier nicht grundsätzlich mit der Annahme überein, dass diese Patienten mehr Speichel produzieren.

Natürlich schließe ich nicht grundsätzlich aus, dass manche Medikamente als Nebenwirkung eine höhere oder auch geringere Speichelproduktion bewirken können. Beim Großteil meiner Parkinsonpatienten liegt jedoch das vermehrte Speichelaufkommen im Mund in einer verzögerten / selteneren Auslösung von Schluckreaktionen begründet.

Der Mensch produziert im Schnitt 1,5ml Speichel pro Minute. Der gesunde Mensch schluckt diesen Speichel unbewusst 1-2x/Minute herunter. Bei Parkinsonpatienten beobachte ich oft mehrere Minuten lang keine kraftvolle Schluckreaktion.

Die seltener ausgelösten Schluckreaktionen (veraltet: Schluckreflexe) können u.A. begründet werden mit der bereits in anderen Beiträgen beschriebenen veränderten Wahrnehmung im Mund.

Wenn Sie ein vermehrtes Speichelaufkommen im Mund beobachten, sollten Sie daran denken, dass dies ein Hinweis auf die Entwicklung einer Schluckstörung sein kann. Ich empfehle Ihnen, eine Logopädin / einen Logopäden mit entsprechender Spezialisierung aufzusuchen (Behandlung neurologischer Störungsbilder incl. Schluckstörungen).

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